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Arbeitsrecht

Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers wegen verspäteter Zielvorgaben!

 

Dr. André Bienek

 

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war als Head of Advertising bei der Arbeitgeberin tätig. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung stand dem Arbeitnehmer ein jährlicher Bonus zu, der sich nach unternehmensbezogenen und individuellen Zielen richten sollte. Die Ziele sollten jeweils bis zum 01. März eines Jahres einseitig von der Arbeitgeberin festgelegt werden.

 

Für das Jahr 2019 wurden dem Arbeitnehmer und den anderen Führungskräften die Ziele für die variable Vergütung erst Ende September 2019 mitgeteilt, die sich aus einem Umsatzziel, einem EBITDA-Ziel und einem individuellen Ziel zusammensetzten.

 

Nach seiner Kündigung erhielt der Arbeitnehmer einen Bonus ausgezahlt, der bezüglich der unternehmensbezogenen Ziele eine unter 100% liegende Zielerfüllung vorsah. Daraufhin verlangte er die Differenz auf Grundlage einer 100%igen Zielerfüllung, da ihm die Unternehmensziele deutlich verspätet mitgeteilt worden seien. Hatte die Klage Erfolg?

 

Entscheidung

Ja! Das LAG Köln bejahte einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers in entsprechender Höhe. Das Gericht urteilte, dass eine pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebene einseitige Zielvorgabe ebenso eine Schadensersatzpflicht auslöst, wie eine nicht abgeschlossene beidseitige Zielvereinbarung.

 

Die Schadensersatzpflicht werde auch dann begründet, wenn eine Zielvorgabe erst zu einem derart späten Zeitpunkt innerhalb des maßgeblichen Geschäftsjahres erfolgt, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann. Sie sei dann so zu behandeln, als sei sie überhaupt nicht erfolgt. Ein derart später Zeitpunkt sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als drei Vierteln abgelaufen ist.

 

Praxishinweis

Boni, die anhand von jährlich zu definierenden Zielen abhängig gemacht werden, sind gerade bei Führungskräften weit verbreitet. In der Praxis erfolgen die notwendigen Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen häufig nicht oder mit erheblicher Verzögerung. Besteht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Einigkeit über den dann ausgezahlten Bonus, der in diesen Fällen mehr oder weniger Gegenstand von Verhandlungen sein wird, sind Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers wegen unterlassener Zielvereinbarung möglich. Der Schaden wird typischerweise mit dem Betrag angesetzt, der einer 100%igen Zielerreichung entspricht. Arbeitgeber sind daher gut beraten, Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen konsequent und zeitnah umzusetzen.

 

(LAG Köln, Urt. v. 06.02.2024 – 4 Sa 390/23)

Dr. André Bienek - Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
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